Dienstag, 27. Juli 2010

Sarah entdeckt das Meer

Seit 10 Wochen lebe ich nun auf der Insel. Umspült vom Wasser des Vestfjords und des atlantischen Ozeans. Kein Wunder also, dass ich früher oder später auf einem Fischerboot landete. Es war nur ein kleines Fischerboot mit einem Aussenbordermotor. Die besten Jahre hatte es sicher schon hinter sich, zumindest die ästhetisch besten. Doch tapfer fuhr es langsam über den Fjord. Unter dem Kiel nicht nur eine Handbreit, sondern klares Wasser des Skjelfords. Muschelfjord zu Deutsch und wenn man auf den weissen Sanduntergrund schaut und die vielen Muscheln und Seesterne sieht, ist auch klar, warum.

Unser Ziel: Fischen. Die Zutaten: Silch mit Haken, ein Eimer, Schokolade für die Nerven und die gute Laune und viel Zeit. Mit dabei: Stephanie, Peter und ich. Stephanie und Peter sind zwei deutsche Reiseleiter-Kollegen, wobei Peter seit drei Jahren ein Haus auf den Lofoten besitzt, welches er aber nur im Sommer bewohnt. Ihm gehört also auch das kleine Boot und er wusste auch, wo sich denn die guten Fanggründe befanden. Mit der Sicherheit eines Kapitäns steuerte er die erste Bucht an, wo wir unser Glück versuchen wollten. Ich erhielt die ersten Instruktionen: Den Silch mit den Haken von der Rolle lassen bis der Haken auf dem Grund ist, dann wieder etwa einen Meter hochziehen und warten. Den Silch immer leicht bewegen, also hochziehen und wieder runterlassen. Wenns zappelt: Ziehen!

Keine fünf Minuten vergingen, bis Peter den ersten Fisch an Land zog. Für mich war die Phase der Akklimatisation zu kurz. Peter nahm den Dorsch vom Haken und warf ihn in den Eimer. Stephanie ergriff das Messer und schnitt dem Tier die Kehle durch. Der Fisch zappelte aber weiter und schnappte nach Luft. Kein schönes Bild. Zwar war die Hauptschlagader durchgetrennt, doch wie ein Huhn ohne Kopf wollte der Fisch noch keine Ruhe geben. Das ganze ist etwas gewöhnungsbedürftig, doch da schon bald der nächste Fisch am Haken hing, ging das schnell mit der Gewöhnung.

Bald auch schon merkte ich, wie sich etwas an meinem Haken in der Tiefe des Fjords verbissen hatte. Mir wurde leicht mulmig, doch ich holte den Silch ein. Währenddessen warnte ich meine erfahrenen Fischer schon, dass sie den Fisch vom Haken nehmen und töten mussten. Und da zappelte er auch schon: Ein schöner grosser Dorsch! Ihm widerfuhr dasselbe Prozedere wie Peters Fischen. Und da lag er: Mein erster selbst gefangener Fisch. Ich konnte es noch nicht recht fassen, fischte aber munter weiter. Schon nach kurzer Zeit hatte ich wieder einen am Haken. Wir hatten also eine gute Stelle gefunden, der Eimer füllte sich schnell und das Abendessen war gesichert.

Immer wieder mal hing also solch ein Dorsch an der Angel, Stephanie und Peter haben auch Makrelen erwischt. Mit der Zeit erträgt man das Gezappel der eigentlich getöteten Fische auch besser und die Lust, die Tiere bald auf den Grill zu werfen, wächst.
So fuhren wir denn auch zurück, Peter nahm unterwegs die Fische aus, was uns die Möwen als Begleiter sicherte. Ein Seeadler zeigte sich auch zwei Mal, doch anscheinend waren ihm unsere Fische nicht gut genug, nah ran kam er leider nicht.

Zuhause in Peters Haus warf der Mann den Grill an, die Frauen putzten die Fische und kochten. Kartoffeln mit frischen Makrelen vom Grill war das Menü, geschmeckt hat es vorzüglich!
Am nächsten Tag ging ich auf eine Wanderung und ass selbst gefischten Dorsch vom Lagerfeuer - unheimlich gut! Doch das ist eine andere Geschichte, Bilder und Details folgen ;-)

Montag, 12. Juli 2010

Oranje verblasst

Heute ist ein trauriger Tag. Holland hat gegen Spanien verloren. WM-Final 2010, Südafrika. 11 Oranjes gegen 11 Blaue, die eigentlich Rot sein sollten. Es stand nicht ganz so kritisch um meine Nerven wie damals, am 29. Juni 2008, als Spanien gegen Deutschland spielte. Damals unterstützte ich die Roten. Nicht aus Überzeugung, sondern aus Verzweiflung. Holland war damals zu früh gescheitert. Deutschland, naja, muss ich ja nicht erklären, den Nachbarn aus dem grossen Kanton kann ich keinen Sieg gönnen. Also Spanien.
Lange gings, bis Fernando Torres mich erlöste. Zu spät wars für meine Nerven, respektive meinen Sauerstoffhaushalt. Nur der leere Sack der Mikrowellen-Popkorn half gegen das Hyperventilieren.

Lebhaft ist mir das Spiel noch in Erinnerung. Und ich scheute mich vor einer Wiederholung. Zwar standen mit Holland und Spanien zwei Mannschaften auf dem Feld, welchen ich beiden den WM-Titel gönnte. Doch mein Herz schlug klar für die Käsköppe. Ich kleidete mich so orange wie nur möglich im Exil, doch es half alles nichts. Robben bewegte sich agil und sexy wie immer, schien aber keine Nerven zu haben. Sneijder, klein und flink, wollte heute nicht aus der Ferne einen Ball ins Netz donnern. Oder wollte und machte es nicht. Und ansonsten? Keiner da. Nur Stekelenburg grinste nach einer Glanzparade. Naja. Mit Grinsen, schön aussehen und grazilen Bewegungen wird man leider nicht Weltmeister. Ich dachte, die Oranjes hätten das begriffen. In allen Spielen in Seudafrika haben sie brav das Runde ins Eckige gemacht. Aber nicht heute.

Das Spiel ging in die Verlängerung. Meine Nerven. Und dann, ja dann kam Torres. Und er spielte wie immer an diesem Turnier: nicht überzeugend. Gut für mich, ich kam in keinen Gewissenskonflikt. Wobei, wäre ja auch eher ein Schönheitskonflikt gewesen. Ich hoffte, dass nicht er das Siegestor schiessen wird. Und dann wars Iniesta. Tammi. Warum? Robben verstand die Welt nicht mehr, ich sah umso klarer: 4 Minuten werden nicht reichen für den Ausgleich. Der Schiedsrichter liess auch nicht 5 Minuten nachspielen wie damals, am 16. Juni, als Spanien gegen die Schweiz spielte, die Schweiz 1:0 führte und der englische Unparteiische uns quälte. Aber schon da wusste ich, dass Spanien in eine Schmiergeldaffäre verwickelt ist und auch heute glaube ich, dass es so ist. Vielleicht ist es auch ein Wettskandal, so wie Robben Chancen vergab...

Die Blauen, die plötzlich doch die Roten waren, feierten, Casillas weinte wie ein Goof. Torres lag plötzlich nicht mehr am Boden, sondern konnte hüpfen und jubeln. Die Oranjes waren irgendwie nirgends mehr. Silber. Tammi. Warum? Ich mag Spanien den Sieg ja gönnen. Aber Holland hat nicht verdient zu verlieren. Nein, das Spiel war nicht schön, ja, sie haben zu viele von diesen komischen gelben Kartons gesammelt. Und der Mord-Tritt von De Jong, darüber müssen wir gar nicht diskutieren.

Beim Interview küsste Casillas seine Freundin, Journalistin Sara, vor laufender Kamera, und heulte gleichzeitig. Naja, professionell ist sowas ja schon lange nicht mehr. Also nicht der Kuss, das ganze Interview-Getue. Aber egal. In Spanien gelten andere Regeln als im Zürcher Oberland. Vielleicht auch ganz gut so.

Das Positive an diesem Abend? Ich weiss nicht. Sicher nicht die Kommentare von Mitluegerinnen, die etwas von Gool schrieen, wenn der Ball von aussen an das Netz flog. Auch nicht die spontane Abmachung mit meinem Fussball-Freund, bei einem Sieg Hollands nach Amsterdam zu fahren und bei einem Sieg Spaniens nach Barcelona inklusive Besuch eines Tschuttimatsches. Will ich ins Land des Weltmeisters? Eigentlich nein. Oder nur, wenn auch mindestens ein Holländer auf dem Platz steht. Barcelona - Bayern? Oder Inter? Der Spielplan wird mir die Entscheidung abnehmen.

Ein kleiner Trost ist der Schweizer Stolz. Wohl noch nie wurde die Schweiz als Fussballnation in einem WM-Finale so oft genannt. Ja, wir haben die Spanier geschlagen. Mit einem Abseitstor. Mit Glück. Wie genau, wissen wir eigentlich selber nicht. Aber es war gut, um die Spanioggel aufzurütteln und sie so ins Finale zu treiben. Mit der furia roja kann ich leben. Auch wenn ich immer noch hoffe, bange, und vor allem daran glaube, dass ich den Tag erleben werde, an dem Oranje Fussballweltmeister wird. Hup Holland!!!

Ps: Das schöne an Amsterdam ist ja, dass man keinen speziellen Grund braucht, um in die Grachten-Stadt zu fahren. Holland, ich komme!

Freitag, 9. Juli 2010

Moschtbröckli, Chäs und Schwyzertütsch, bitte!

Norwegen? Schweiz? Wo bin ich?
So ähnlich wie die beiden Länder sind, so gibt es doch einige gravierende Unterschiede. Das Thema also meines heutigen Blogeintrages.

Ich fühlte mich in Norwegen schon immer schnell zu Hause. Das war nicht anders, als ich dieses Jahr hierher kam im Wissen, dass ich die nächsten Monate hier verbringen werde.
Der Lebensstandard ist ähnlich hoch wie in der Schweiz, das Preisniveau dementsprechend auch. Wenn sich meine deutsche Mitbewohnerin über die hohen Fleischpreise im Supermarkt wundert, reibe ich mir die Augen, weil Fleisch so günstig ist. Zum Vergleich: Ein Kilo Schweinefleisch (vom Hals) kostet rund 11 Franken. Natürlich gibt es auch teureres Fleisch, doch solange wir beim Schweinefleisch bleiben, ist es etwa die Hälfte des Preises von Schweizer Fleisch. Abgepackt aus der Migros oder dem Coop wohlgemerkt. Rindfleisch ist rarer und teurer, für ein Kilo Entrecôte bezahlt man rund 40 bis 50 Franken.

Wesentlich günstiger ist natürlich Fisch. Von der Fischerei leben auch heutzutage noch die meisten Lofotinger (so die offizielle Bezeichnung der Inselbewohner). "Iss Fisch und kaufe norwegischen!" war einer der ersten Ratschläge eines Einheimischen. Lachs ist für rund 20 Franken pro Kilo zu haben, geräuchert und von sehr guter Qualität.
Nach wie vor esse ich aber lieber und öfter Fleisch als Fisch. Es ist auch kaum zu glauben, dass es wirklich noch genügend Dorsch im Meer haben soll, wenn man bedenkt, dass nur hier auf den Lofoten dieses Jahr 31 000 Tonnen(!!!) Dorsch gefischt wurden.

Doch nicht nur die Preise sind wie zu Hause, sondern auch die Menschen. Ich hatte mit meiner Einschätzung vom Tösstal Norwegens nicht so Unrecht. Zwar sind viele Leute hier aufgeschlossener als viele Schweizer, was wohl schon ein bisschen mit der Weite des Meeres zu tun hat, doch in vielen Belangen erinnern sie mich an die Heimat. Sie sind geradlinig und direkt, akzeptieren zwar Fremde, doch bis man wirklich dazu gehört, braucht es wohl viel.
Ich verstehe mich mit den Einheimischen bis jetzt sehr gut. Sie sind mir sofort gut gesinnt, wenn ich erzähle, dass ich ihr Land liebe und sie schätzen meine -  mitunter kläglichen - Versuche, ihre Sprache zu imitieren.

M-o-s-c-h-t-b-r-ö-c-k-l-i
Bis jetzt vermisse ich nicht viel aus der Heimat. Doch gestern hatte ich eine Deutsche an Bord, deren Schwester in Wald (AR!!) lebt. Dann meinte sie nur: Ich liebe Moschtbröckli. Ich fiel fast in Ohnmacht. Sofort hatte ich den Geschmack im Mund vom zarten Trockenfleisch. Den salzigen Geschmack, der nicht mehr weichen will, wenn man das Fleisch auf der Zunge zergehen lässt. Und seitdem denke ich jede Minute daran. In der Hölle schmoren soll diese Berlinerin, die wagte, dieses Wort auszusprechen! Ich lebe gut ohne Schoggi (wobei man hier auch Toblerone kaufen kann, was meine Nahrung während den Schweiz-Spielen war) und auch ohne Cervelats und Bratwürste. Aber Moschtbröckli. Heieieieieiei. Ähnlich schlimm ist es nur mich Chäs. Die Norweger haben ja keine Ahnung, wie Käse schmeckt. Ansonsten würden sie diese weisslichen Klötze milchigen Geschmacks nicht als Käse verkaufen. In einigen Supermärkten gibt es auch französischen Weichkäse (zum unglaublichen Schnäppchenpreis von 50 CHF/Kilo!!!), doch einfach nur Chäs, das gibt es nicht.
Was mir vorschwebt? Das ist ja wohl klar: Sternenberger Brie, Sternenberger Mutschli, Vacherin Mont d'Or, Senneflade, Arenenberger, Girenbader Hobelchäs, St. Paulin (weil bitz Normales auch sein muss), und natürlich wärs auch mal wieder Zeit für ein Raclette mit Sternenberger geräuchtert, mit Chili, Paprika und Nature.

Die Botschaft ist ja nun wohl klar: Jede(r), die/der mich besuchen kommt, muss ein bisschen Käse und Moschtbröckli schmuggeln. So schwer kann das ja nicht sein!

Herzlichen Dank schon mal im Voraus. Ich haue nun Spiegeleier in die Pfanne und träume von Älpler-Maccaroni.

Schwiiz, nöd Dütschland!
Was ich aber am schmerzlichsten vermisse, ist, Mundart zu sprechen! Immer dieses gehauchte Deutsch, das ist ja kein Leben! Unterdessen unterhalte ich mich auch mit den Deutschen lieber auf Englisch. Und ich entwickle bedenkliche Sympathien für Schweizer Touristen aus allen Kantonen. feng, bitz, chuum, mängisch, det, hoi, xundheit, mässi. Schöne Worte, die ich nicht mehr brauchen kann. Fluchen und Fussball kommentieren tu ich nach wie vor auf Mundart, was auf meine Umgebung mitunter unterhaltsam wirkt.

So, nun aber sind definitiv die Spiegeleier an der Reihe.

En guete!