Dienstag, 8. März 2011

Wann kommt der Wind?

Seit ich in Norwegen bin, lerne ich sehr viel übers Wetter. Nein, ich muss mich korrigieren. Seit ich im Herbst nach Norwegen zurückgekehrt bin. Zuvor, also vergangenen Sommer auf den Lofoten, war alles soweit ok.

Darum hier mal eine kleine Lehrstunde. Weil ich Zeit habe. Festsitze in meiner Hütte. Eine Ausgangssperre verhängt wurde. Nun aber mal ganz unjournalistisch der Reihe nach:

Im Herbst zügelte ich von den Lofoten nach Mosjøen. Ab Anfang November verbrachte ich viel Zeit auf dem Bauernhof einer Freundin. Dort lernte ich nicht nur Kälber zu tränken und Hundeschlitten zu fahren, sondern auch, dass die Norweger die Temperaturen im Winter ansagen wie im Sommer. Da gibts kein überflüssiges "Minus" mehr. «Wie ist die Temperatur heute?» «18 Grad». Ich: «Plus???» Darauf gabs nur einen kurzen Lacher zur Antwort. Wochenlang war das Quecksilber derart im Keller, dass man sparsam umgehen musste mit seinen Ressourcen. Da ist auch ein «minus» manchmal zu viel.

In dieser Zeit lernte ich, dass man sich an die Kälte gewöhnt, dass -18 viel kälter ist als -10 und dass einem die Hunde auch dann nicht fressen, wenn man besser verhüllt ist als eine Burkaträgerin.

Nun habe ich die norwegischen Hügel wieder gegen das Meer und Felsen eingetauscht. Und nun lerne ich alles über Wind. Für mich war bis anhin Wind Wind. Manchmal blästst mehr, manchmal weniger. Aber hier lerne ich nun die verschiedenen Ausdrücke und so. Bei den Wettermeldungen wird da nämlich sehr genau unterschieden.

Lektion 1: Kuling hat nichts mit Kälte zu tun. «kuling» heisst starker Wind. ups. Ja, das war gut, dass ich das mal gelernt habe. Also da blästs einem so mit 15m/s um die Ohren. Also so mit 54 km/h. Die Norweger mögen keine km/h. Glaub ich zumindest.

Lektion 2: Wenn steht «stiv kuling» passt man besser auf, dass draussen nicht zu viel rumsteht. Also ich hab ja nichts. Aber trotzdem. Auf unserem Gelände ist kürzlich eine Tür durch die Gegend geflogen.

Lektion 3: Die Fähre ist keine verlässliche Verbindung zum Festland. Sie fährt nämlich meistens nicht. «pga uvær. vi beklager». Wegen des Unwetters, tut uns leid, schreibt die Reederei jeweils. Also zwei Mal täglich. Ich hab mal den Newsletter abonniert, man will ja informiert sein.

Lektion 4: Auch Flüge kann man absagen. Am Tag bevor ich ankam, wurden 3 Flüge annulliert wegen des schlechten Wetters. Ich hatte Glück, nach einem Schüttelstart flogen wir straks über den Fjord und landeten sicher. Gäste aber haben wir diese Woche fast keine. Weil eben die Propellermaschinen nicht immer fliegen.

Lektion 5: Mietwagenverleiher checken die Wettervorhersage. Und bei mehr als stiv kuling bekommt man kein Auto mehr ausgeliehen. Da ich nun bis Freitag keine Arbeit habe, weil eben die Gäste nicht bis hierher kamen, wollte ich die Zeit sinnvoll nutzen. Mit einem Roadtrip in den Süden, wo ich bei meiner Freundin einen Husky holen wollte. Der soll nämlich den Sommer mit mir verbringen auf den Inseln. Aber eben: Keine Fähre und kein Auto. Dabei sind doch die Lofoten seit 2007 über Brücken und Tunnels mit dem Festland verbunden – es wäre nur rund 400 Kilometer Umweg gewesen. Jadännhaltnöd.

Lektion 6: Holländer lassen sich nicht von ein bisschen Wind beeindrucken. Also meine Scheffs. Die ja aus der holländischen Ebene kommen, die sind nicht sehr empathisch, wenn ich entsetzt erzähle, dass meine Hütte gewackelt hat die ganze Nacht. Ja gut. Dafür haben sie Angst vor den Bergen hinter dem Haus, hahahaha. 400 Meter – hui, was für ein Massiv! ;-)

Lektion 7: Bei «stiv kuling» und Regen muss man sich in Gore-Tex hüllen, um bis zur Tanke zu laufen. Habe ich heute gemacht, um Süssigkeiten und ein Heftli zu kaufen in der Hoffnung, es bessert die Laune. Mein Biervorrat neigt sich nämlich langsam dem Ende zu. Bleibt noch Zwetschgenwasser, Kirsch und Bündner Röteli. Nein, schlecht gehts mir nicht.

Lektion 8: Auch Einheimische sind des Sturmes müde. Das ist gut zu wissen. Einfach so. Sie merken jedoch den Unterschied. Der Mann von der Tanke sagt: «Uff, schon wieder kuling». Ich: «War mal nicht kuling, seit ich hier war???» Ja guet, ich muss ja noch das ein oder andere lernen.

Lektion 9: Wenn einem langweilig wird vor lauter Sturm, sollte man nicht fernsehen wollen. Das Signal ist nämlich schon lange weg. Zum Glück habe ich Internet, sage ich zu diesem Thema nur.

Lektion 10: Meteorologen kümmern sich um das Wohl der Bevölkerung. Da kommt nicht nach dem Sturm die Meldung, man solle drinnen bleiben. Nein, da heissts schon in der Vorhersage, dass man draussen nichts verloren hat. Åhja, sagt der Einheimische da. Uffffffffff, sage ich. Hausarrest auf den Lofoten. Wird ja immer besser.

Ja guet, ich hoffe, dass auch dieser Sturm nur einer im Wasserglas ist und irgendeinisch finds Glück eim, äh nei, geht auch der vorbei.

Bis dahin hoffe ich, dass der Strom nicht ausfällt, ich morgen schnell meinen Biervorrat auffüllen kann und mein Hüttli dem Ganzen trotzt.

Ahja, so fürs Protokoll: Für heute Abend ist «full storm»(100 km/h) angesagt, morgen früh dann «sterk storm» (108 km/h). Stärker wäre nur noch Orkan (120 km/h), aber der ist bis jetzt noch im Süden des Landes und ich hoffe, der bleibt dort auch.

Dienstag, 1. März 2011

Zurück auf den Lofoten...

Neues Jahr - neues Glück. Nja, vielleicht eher: Neues Jahr - mehr Disziplin ;-)
Nachdem ich diesen Blog in den vergangenen Monaten sehr vernachlässigt habe, gelobe ich Besserung.

Eine kurze Zusammenfassung meiner Aktivitäten: Ich war im Herbst Service-Pinguin und Barmaid in Mosjøen, habe dazwischen Schlittenhunde trainiert, war über Weihnachten auf einer 6-tägigen Hundeschlittentour und ab Mitte Januar in der Schweiz (habe dort im Kloster als Service-Pinguin gearbeitet) und nun, ja nun bin ich zurück auf der Insel. Auf einer anderen als letztes Jahr, aber wieder auf den Lofoten.

So. Hier, in Reine auf der Insel Moskenes, werde ich bis Ende September bleiben. Ich habe mir einen Job gesichert als Servierdüse (jaja, meine neue Leidenschaft, aber hier wenigstens nicht in Pinguin-Uniform) und Receptionistin. Wir vermieten rorbuer, das sind ehemalige Fischerhütten. Als die typischen roten Häuschen am Meer, die man in allen Prospekten sieht. 39 haben wir insgesamt und in der Hauptsaison sind die meisten bereits ausgebucht.

Seit drei Tagen bin ich hier und weil ich die erste Angestellte bin, die so früh beginnt, wohne ich nicht in der Pension. Nein, ich habe ganz edel mein eigenes rorbu für mich. Ja, edel geht der Mensch zugrunde. Naja, was soll ich sagen? Ich geniesse die zwei Monate in diesem wunderbaren Heim.

Hier auf den Lofoten liegt noch ziemlich viel Schnee und ich hoffe, es gibt noch mehr. In diesen Tagen war das Wetter stürmisch und mild. Die Fähre nach Bodø aufs Festland war öfters eingestellt, als dass sie ablegte. Der Wind lässt meine Hütte immer wieder zittern. Ich geniesse es, wieder mitten in der Natur zu leben. Wo sich die Berge aus dem Meer erheben, ständig Wind durch meine Haare streift und der Duft von frischem Fisch in der Nase liegt.

Meine bescheidene Hütte... ;-) 

Die Aussicht vom Stubenfenster.

Und das Ganze beim Eindunkeln.

Ansonsten hier zu geniessen. Ich wohne im Häuschen Nr. 3, Reinfjord...