Montag, 12. Juli 2010

Oranje verblasst

Heute ist ein trauriger Tag. Holland hat gegen Spanien verloren. WM-Final 2010, Südafrika. 11 Oranjes gegen 11 Blaue, die eigentlich Rot sein sollten. Es stand nicht ganz so kritisch um meine Nerven wie damals, am 29. Juni 2008, als Spanien gegen Deutschland spielte. Damals unterstützte ich die Roten. Nicht aus Überzeugung, sondern aus Verzweiflung. Holland war damals zu früh gescheitert. Deutschland, naja, muss ich ja nicht erklären, den Nachbarn aus dem grossen Kanton kann ich keinen Sieg gönnen. Also Spanien.
Lange gings, bis Fernando Torres mich erlöste. Zu spät wars für meine Nerven, respektive meinen Sauerstoffhaushalt. Nur der leere Sack der Mikrowellen-Popkorn half gegen das Hyperventilieren.

Lebhaft ist mir das Spiel noch in Erinnerung. Und ich scheute mich vor einer Wiederholung. Zwar standen mit Holland und Spanien zwei Mannschaften auf dem Feld, welchen ich beiden den WM-Titel gönnte. Doch mein Herz schlug klar für die Käsköppe. Ich kleidete mich so orange wie nur möglich im Exil, doch es half alles nichts. Robben bewegte sich agil und sexy wie immer, schien aber keine Nerven zu haben. Sneijder, klein und flink, wollte heute nicht aus der Ferne einen Ball ins Netz donnern. Oder wollte und machte es nicht. Und ansonsten? Keiner da. Nur Stekelenburg grinste nach einer Glanzparade. Naja. Mit Grinsen, schön aussehen und grazilen Bewegungen wird man leider nicht Weltmeister. Ich dachte, die Oranjes hätten das begriffen. In allen Spielen in Seudafrika haben sie brav das Runde ins Eckige gemacht. Aber nicht heute.

Das Spiel ging in die Verlängerung. Meine Nerven. Und dann, ja dann kam Torres. Und er spielte wie immer an diesem Turnier: nicht überzeugend. Gut für mich, ich kam in keinen Gewissenskonflikt. Wobei, wäre ja auch eher ein Schönheitskonflikt gewesen. Ich hoffte, dass nicht er das Siegestor schiessen wird. Und dann wars Iniesta. Tammi. Warum? Robben verstand die Welt nicht mehr, ich sah umso klarer: 4 Minuten werden nicht reichen für den Ausgleich. Der Schiedsrichter liess auch nicht 5 Minuten nachspielen wie damals, am 16. Juni, als Spanien gegen die Schweiz spielte, die Schweiz 1:0 führte und der englische Unparteiische uns quälte. Aber schon da wusste ich, dass Spanien in eine Schmiergeldaffäre verwickelt ist und auch heute glaube ich, dass es so ist. Vielleicht ist es auch ein Wettskandal, so wie Robben Chancen vergab...

Die Blauen, die plötzlich doch die Roten waren, feierten, Casillas weinte wie ein Goof. Torres lag plötzlich nicht mehr am Boden, sondern konnte hüpfen und jubeln. Die Oranjes waren irgendwie nirgends mehr. Silber. Tammi. Warum? Ich mag Spanien den Sieg ja gönnen. Aber Holland hat nicht verdient zu verlieren. Nein, das Spiel war nicht schön, ja, sie haben zu viele von diesen komischen gelben Kartons gesammelt. Und der Mord-Tritt von De Jong, darüber müssen wir gar nicht diskutieren.

Beim Interview küsste Casillas seine Freundin, Journalistin Sara, vor laufender Kamera, und heulte gleichzeitig. Naja, professionell ist sowas ja schon lange nicht mehr. Also nicht der Kuss, das ganze Interview-Getue. Aber egal. In Spanien gelten andere Regeln als im Zürcher Oberland. Vielleicht auch ganz gut so.

Das Positive an diesem Abend? Ich weiss nicht. Sicher nicht die Kommentare von Mitluegerinnen, die etwas von Gool schrieen, wenn der Ball von aussen an das Netz flog. Auch nicht die spontane Abmachung mit meinem Fussball-Freund, bei einem Sieg Hollands nach Amsterdam zu fahren und bei einem Sieg Spaniens nach Barcelona inklusive Besuch eines Tschuttimatsches. Will ich ins Land des Weltmeisters? Eigentlich nein. Oder nur, wenn auch mindestens ein Holländer auf dem Platz steht. Barcelona - Bayern? Oder Inter? Der Spielplan wird mir die Entscheidung abnehmen.

Ein kleiner Trost ist der Schweizer Stolz. Wohl noch nie wurde die Schweiz als Fussballnation in einem WM-Finale so oft genannt. Ja, wir haben die Spanier geschlagen. Mit einem Abseitstor. Mit Glück. Wie genau, wissen wir eigentlich selber nicht. Aber es war gut, um die Spanioggel aufzurütteln und sie so ins Finale zu treiben. Mit der furia roja kann ich leben. Auch wenn ich immer noch hoffe, bange, und vor allem daran glaube, dass ich den Tag erleben werde, an dem Oranje Fussballweltmeister wird. Hup Holland!!!

Ps: Das schöne an Amsterdam ist ja, dass man keinen speziellen Grund braucht, um in die Grachten-Stadt zu fahren. Holland, ich komme!

2 Kommentare:

  1. Wie kann man nur so eine Hommage an Holland halten, Frau Wyss. Das war nur eine fürchterliche Treterei von A - Z. Johan Cruyff, der grösste aller niederländischer Fussballer, sagte es schon vor dem Final. "Ich will, dass Spanien gewinnt." Er wird sich gestern geschämt haben für seine Landsleute."

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  2. Ich habe mit keinem Wort gesagt, dass das Spiel schön war. Sympathien für ein Land, für Leute, eine Mannschaft haben nicht nur mit dem Auftreten an einem WM-Final zu tun. Da geht es um viel mehr. Um Emotionen, um Erinnerungen, um Sehnsucht.
    Johan Cruyff hat den holländischen Fussball nach Spanien gebracht. Er wollte, dass Spanien gewinnt, damit ER gewinnt. Und weil er es dem Bondscoach nicht verzieh, dass jener das "heilige System" Cruyffs umstellte.
    Wer genau sind denn die Landsleute von Cruyff?

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